Die Goten und der Arianismus
Manche Konflikte zwischen Goten und Römern lassen sich nur dadurch erklären, dass die Goten bei ihrer Christianisierung eine spezielle Variante des Christentums annahmen. Dabei handelt es sich um den sog. Arianismus.
Die Lehre geht auf den christlichen Presbyter Arius (* um 260; † 336 in Konstantinopel) zurück. Der Arianismus unterscheidet sich vom Katholizismus in ihrem Verständnis des Verhältnisses zwischen Gott Vater und Gott Sohn. Die katholische Kirche ist davon überzeugt, dass Jesus Christus eines Wesens mit seinem Vater ist. Sie glaubt, dass er gezeugt wurde, zuvor aber schon genauso lange in Gott existierte wie Gott selbst. Sie sind also genau gleich in ihrem Rang und ihrem Wessen. Deshalb wurde die Katholiken von den Arianern auch Trinitarier genannt.
Die Arianer glaubten demgegenüber, dass der Vater allein Gott ist. Weil er die Welt nicht selber schaffen konnte, schuf er den Logos, der Jesus ist. Die Arianer glauben also, dass Jesus nicht schon immer da war. Er wurde geschaffen, zwar bevor die Zeit entstand, aber er ist eben nicht ewig. Deshalb ist er Gott auch nur ähnlich und nicht gleich. Gott und Jesus sind auch nicht eines Wesens.
Die Arianer waren sich aber untereinander nicht einig, weshalb sie verschiedene Fraktionen bildeten. Die Exukontianer glaubten, dass Jesus aus dem Nichtseienden geschaffen wurde. Die Anomoianer waren überzeugt, dass Jesus Gott ganz und gar unähnlich ist. Die Homöaner glaubten, dass Jesus Gott ähnlich sei und die Homöusianer waren der Ansicht, er ähnele ihm in Wesen. Im Kern ist der Arianismus deshalb entstanden, weil Arius meinte, wenn Gott und Jesus gleich wären, gäbe es zwei Götter. Deshalb müsse er Gott untergeordnet sein. Er ist also geschaffen aber trotzdem göttlich.
Der Arianismus wurde auf den ersten beiden ökumenischen Konzilien (325 n. Chr. Konzil von Nicäa und 381 n. Chr. Konzil von Konstantinopel), zur Häresie erklärt.
Den Goten kam die arianische Konfession insofern entgegen, als die Unterordnung des Sohnes unter den Vater ihrem Sippenverständnis entsprach. Sie hatten außerdem einige sehr engagierte Bischöfe, die sie einfach durch ihre Persönlichkeit überzeugten und deren Konfession sie deshalb ungefragt übernahmen.
Als sie sich dann einmal daran gewöhnt hatten, wollten sie sie nicht mehr wechseln.
Einer dieser Bischöfe, wenn auch nicht der erste, der vom byzantinischen Reichsbischof Eusebius 341 in Antiochia für die Goten geweiht wurde, war Wulfila. Er hatte kappadokische Vorfahren, verstand sich selbst aber bereits als Gote. Er missionierte bis 348 n. Chr. an der unteren Donau und angesichts des einsetzende Widerstand in den Völkern gegen die christlichen Missionierungsversuche, ging Wulfila und andere Heidenchristen ins römische Exil in der Provinz Moesia secunda bei Nikopolis. Dort übersetzte er die Bibel ins Gotische und entwickelte dafür eine eigene Schrift. Sie setzt die Buchstabenreihenfolge des griechischen Alphabetes voraus (auch die Schreibung von Zahlen mit Buchstaben) und verwendet darüber hinaus lateinische Buchstaben und Runen für Laute, die im Griechischen nicht vorkommen.
Er sah sofort die Vorteile der arianischen Konfession und verglich das Verhältnis von Gott Vater und Gott Sohn mit dem Konzept von Unterordnung und Treue, dass ihnen aus dem germanischen Gefolgschaftswesen bekannt war.
Innerhalb der Arianer zählte Wulfila, was Kleiner Wolf bedeutet, zu den Homöanern (von griechisch ὁμοῖος [homoios], ähnlich). Durch sein Wirken wurde nicht nur die West- und Ostgoten, sondern auch die Vandalen, Langobarden und Burgunder zu arianischen Christen. Seine Bibelübersetzung bringt er nicht nur den Text in eine andere Sprache, sondern passt sie auch der germanischen Kultur an. Er fand neue Bilder für die biblischen Inhalte, die den Goten sonst zu fremdartig vorgekommen wären.
Hier das atta unsar („Vater unser“) auf Gotisch:
atta unsar þu ïn himinam
weihnai namo þein
qimai þiudinassus þeins
wairþai wilja þeins
swe ïn himina jah ana airþai
hlaif unsarana þana sinteinan gif uns himma daga
jah aflet uns þatei skulans sijaima
swaswe jah weis afletam þaim skulam unsaraim
jah ni briggais uns ïn fraistubnjai
ak lausei uns af þamma ubilin
unte þeina ïst þiudangardi
jah mahts jah wulþus ïn aiwins
amen